HALTUNG

TierSchG § 13 (Österreich)
(2): Wer ein Tier hält, hat dafür zu sorgen, dass das Platzangebot, die Bewegungsfreiheit, die Bodenbeschaffenheit, die bauliche Ausstattung der Unterkünfte und Haltungsvorrichtungen, das Klima, insbesondere Licht und Temperatur, die Betreuung und Ernährung sowie die Möglichkeit zu Sozialkontakt unter Berücksichtigung der Art, des Alters und des Grades der Entwicklung, Anpassung und Domestikation der Tiere ihren physiologischen und ethologischen Bedürfnissen angemessen sind. 


Hauskaninchen stammen vom Europäischen Wildkaninchen ab. Beide gehören zur Ordnung der Hasenartigen (Lagomorpha) und bilden die Art "Eigentliche Kaninchen" (Oryctolagus cuniculus - als einzige Art innerhalb der Gattung Oryctolagus). Charakteristika der Hasenartigen sind die Stiftzähne, eine typische Anatomie des Schädelknochens, eine rein pflanzliche Ernährung sowie das Fressen von Blinddarmkot. 
Das Kaninchen ist wohl die einzige Tierart, dessen Domestikation ausschließlich in Westeuropa stattgefunden hat. Als wahrscheinlichste Urform der Hauskaninchen gilt die Unterart Oryctolagus cuniculus cuniculus aus dem Nordosten Spaniens und Süden Frankreichs (Nachtsheim & Stengel 1977; Monnerot et al. 1994; Queney et al. 2001; Carneiro et al. 2011; Fontanesi, Utzeri & Ribani 2021; Xie et al. 2024b).

Im Gegensatz zum Hauskaninchen zeichnet sich die Domestizierung anderer Tierarten durch unabhängige Ereignisse aus, die entweder mehrere geografische Regionen oder sogar mehreren Unterarten oder Arten umfassen. Des Weiteren gelten einige Vorfahren anderer Haustiere heute als ausgestorben oder sind nicht bekannt. Ursache für den stark abweichenden Domestizierungsprozess beim Kaninchen ist vermutlich der viel spätere Beginn (Carneiro et al. 2011).


Wildkaninchen 

Kaninchen sind bewegungsfreudige, gesellige Tiere mit einem komplexen Sozialverhalten. In freier Wildbahn leben sie in Kolonien, wobei für jedes Geschlecht eine eigene Rangordnung besteht (Buhl 2017). Häufig suchen Kaninchen die Nähe ihrer Artgenossen, z.B. indem sie in Körperkontakt ruhen oder gegenseitige Fellpflege betreiben. Kaninchen verbringen viele Stunden täglich mit der Suche und der selektiven Aufnahme von Nahrung, vorwiegend in der Dämmerung. Dabei sind rangniedere Tiere darum bemüht, genügend Abstand zu den ranghöheren Gruppenmitgliedern einzunehmen (Buhl 2017). Vorrangig die Weibchen graben weit verzweigte Erdhöhlen, in denen die Kaninchengruppe vor Feinden geschützt ist. Droht ihnen Gefahr, dann trommeln Kaninchen mit den Hinterläufen auf den Boden, um ihre Artgenossen zu warnen und die rechtzeitige Flucht in den Bau zu ermöglichen.  


Hauskaninchen 

Die Lebensbedingungen von Wildkaninchen (Raubtier-Beute-Beziehung, inner- oder zwischenartliche Konkurrenz, Nahrungsknappheit im Winter) repräsentieren nicht zwingend den idealen Zustand für die Haltung von Hauskaninchen. Dennoch lassen sich Anforderungen an eine tiergerechte Haltung von Hauskaninchen vom natürlichen Lebensraum und von typischen Verhaltensweisen ihrer wilden Verwandten ableiten. Insbesondere hinsichtlich ihres Sozialverhaltens bestehen große Ähnlichkeiten zwischen Wild- und Hauskaninchen (Hoy & Matics 2016; Literaturübersicht in: Rottler 2019)

Die Domestikation von Kaninchen resultierte neben einem veränderten äußerlichen Erscheinungsbild auch in Leistungseinbußen einiger Organe und dem Gehirn: Mit dem bereits über viele Generationen fehlenden Feinddruck und fehlender Notwendigkeit der Nahrungsbeschaffung sorgen z.B. die mittlerweile tiefer liegenden, kleineren Augen von Hauskaninchen für ein eingeschränktes Sichtfeld. Auch das Hörvermögen und der Geschmackssinn sind verringert. Eine veränderte Gehirnstruktur führt bei Hauskaninchen zu einem deutlich abgeschwächten Flucht- und Verteidigungsverhalten. Weiters haben Hauskaninchen ihr Aktivitätsverhalten sowie ihre Fortpflanzung an die menschliche Umwelt angepasst (Herre & Röhrs 1990; Jilge 1991; Albert et al. 2012; Carneiro et al. 2014; Brusini et al. 2018; Garreau & Gunia 2018; Sato et al. 2020; siehe auch: https://www.wikikanin.de/sehen).

In der Haltung von Hauskaninchen ist es demnach durchaus zulässig, im Rahmen gesetzlicher Vorgaben individuelle Bedürfnisse zu berücksichtigen.


Mindestanforderungen für die Haltung von Kaninchen in Österreich sind in Anlage 9 der 1. Tierhaltungsverordnung definiert.

Für eine tiergerechte, bedürfnisorientierte Haltung von Kaninchen - einschließlich der Möglichkeit zum Ausüben typischer Bewegungsabläufe, zum Erkunden und Gestalten ihrer Umgebung (abwechslungsreich strukturiertes Gehege, Buddeln), sowie zu artgemäßem Sozialverhalten (inklusive der Möglichkeit zum Ausweichen) - bedarf es allerdings deutlich mehr Raum als es die geltende Verordnung mindestens (z.B. 100 x 60 cm pro Tier, ausgenommen Riesenkaninchen) fordert. Die gesetzlich vorgeschriebenen Mindestmaße sind unter dem Aspekt 'Tierwohl' als Richtlinie für eine dauerhafte Unterbringung ungeeignet!

Wann immer möglich sollten Kaninchen in Paaren oder Gruppen leben können. Artgenossen bieten Abwechslung und Anregung und ermöglichen die Bildung sozial strukturierter Verbände. Sie können dazu beitragen, dass Stresssituationen besser abgepuffert und Verhaltensstörungen (z.B. Knabbern an Gitter) vermieden werden, sowie die Regulierung der Körpertemperatur unterstützen (Burns & Shields 2020).

Wesentliche Indikatoren für Wohlbefinden sind das Zeigen natürlicher Verhaltensweisen und Gesundheit.

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