Paarung und Geburt

Lose Sammlung
von Informationen und Verweisen

 

Allgemeiner Überblick 


Paarung und Entwicklung der Embryonen 

Reifung der Eizellen 
Im Gegensatz zu vielen anderen Tierarten sind bei geschlechtsreifen Häsinnen - sofern diese nicht tragend, scheinträchtig oder krank sind - immer reife Eier, oder solche, die in kürzester Zeit heranreifen können, vorhanden. Findet keine Paarung statt und erfolgen keine sonstigen Reize, dann verkümmern die reifen Eizellen nach einiger Zeit während neue Eizellen heranreifen.
Der Eisprung erfolgt etwa 10 Stunden nach dem Deckakt.
(Niehaus 1986)

Superfetation

Weibliche Kaninchen verfügen über zwei voneinander getrennte Gebärmütterhörner, die prinzipiell eine (zeitversetzte) Doppelträchtigkeit erlauben (Niehaus 1986; Huber 2018/6)
Zwillingsschwangerschaft bei Kaninchen

(siehe van Praag 2023/3) 

Scheinträchtigkeit

Werden die Eizellen nach dem Eisprung nicht befruchtet, kann eine Scheinträchtigkeit eintreten, bei der im Uterus und im Gesäuge Veränderungen stattfinden, die denen der ersten Hälfte einer echten Trächtigkeit entsprechen. Das Verhalten von scheinträchtigen Häsinnen ist zunächst nicht vom Verhalten trächtiger Häsinnen zu unterscheiden.  Zeigt eine Häsin im Zeitraum von ca. 18 Tagen nach dem Decken bereits Nestbauverhalten, kann dies auf eine Scheinträchtigkeit hinweisen. Betroffene Häsinnen können erst etwa 16 bis 19 Tage nach dem Deckakt erneut fruchtbar gepaart werden  (Niehaus 1986; Achleitner 2023)


Geburt

Trächtige Häsinnen beginnen ab dem 20. Trächtigkeitstag, meist jedoch erst ein bis zwei Tage vor der Geburt mit dem Bau des Nests. Dabei wird eine Wurfhöhle zunächst mit den zur Verfügung stehenden Materialien (bevorzugt langes, trockenes Gras) und schließlich mit körpereigener Wolle angereichert (Hoy 2009, zitiert nach Buhl 2017; Bilkó et al. 2022). Die Qualität dieser Materialien beeinflusst die spätere Entwicklung der Darmflora der Jungtiere, weshalb sich die Bereitstellung von hochwertigem Wiesenheu für den Bau des Nestes empfiehlt.

Die Geburt findet 28 bis ~35 Tage (durchschnittlich 31 bis 32 Tage) nach der Paarung statt (Niehaus 1986; eigene Erfahrung der Autorin und weitere, anekdotische Berichte).

Das Risiko für unerwünschte Verhaltensweisen der Häsin, die zu perinataler Mortalität führen - z.B. unterlassener Nestbau, Ablegen der Jungtiere außerhalb des Nestes oder ein Anfressen der Jungtiere - kann durch das frühzeitige Anbieten eines abgedunkelten Bereichs (z.B. eine Wurfkiste) reduziert werden (Schlolaut & Rödel 2011).

Beispielhafte Maße für Wurfkisten nach Majaura (2016/3):
(L/B/H in cm) - Riesen (60/40/40) - Widder (50/35/35) - mittelgroße Kaninchen > 4 kg (45/35/35) - mittelgroße Kaninchen < 4 kg (40/32/30) - kleine Kaninchen (37/30/27) - Zwergwidder (33/25/22) - Farbenzwerge (30/25/20).

Aufnahmen aus einer Wurfbox: Die Geburt bei Kaninchen (KaninchenZeitung).


Milchleistung

Im Laufe der Säugezeit erreicht die tägliche Milchproduktion einer Häsin nach etwa drei Wochen ihren Höhepunkt. Danach, bzw. insbesondere nach dem 28. Laktationstag, nimmt die Milchleistung schnell ab (Niehaus 1986; Hoy 2021/5). Dennoch säugen Häsinnen ihre Jungen teils bis etwa zur 12. Lebenswoche, sofern sie nicht erneut trächtig sind und die Jungtiere nicht vorher abgesetzt wurden. 

(Siehe auch Erfahrungsbericht zum Säugeverhalten bei Riesenkaninchen: Renninghoff 2022/3.)

Die Aufzucht kann wesentlich durch die Zitzenzahl der Häsin beeinflusst werden. Durchschnittlich besitzt eine Häsin acht Zitzen. Liegt die Zitzenzahl unter der Wurfstärke, können möglicherweise nicht alle Jungtiere während der täglichen, zeitlich begrenzten Säugezeit an eine Zitze gelangen (Gefahr des Verhungerns). So war in Fleischhauer et al. (1984) die Zahl der aufgezogenen Jungtiere weitgehend identisch mit der Zitzenzahl der Häsin.
(siehe auch: Bovo et al. 2021)


Entwicklung der Jungtiere und postnatale Schäden

Allgemeines
Während der ersten beiden Wochen nach der Geburt sind Jungtiere besonders anfällig, insbesondere für Unterkühlung oder Unterernährung (z.B. Abdrängen von den Zitzen durch stärkere Geschwister - auch bei relativ kleinen Würfen). Es ist nicht ungewöhnlich, wenn in dieser Zeit Jungtiere versterben. (Selbstverständlich sollte bestmöglich vorgebeugt werden.) Eine tägliche, möglichst kurz gehaltene Nestkontrolle ist empfehlenswert.

Ab dem achten Lebenstag werden von den Jungtieren das von der Häsin zum Bau des Nestes verwendete Material (Heu) und die von ihr im Nest abgesetzten Hartkotballen, sowie ab dem 22. Lebenstag Blinddarmkot der Häsin aufgenommen, um den Aufbau der Darmflora zu ermöglichen (Hudson & Distel 1982 und Fortun-Lamothe & Gidenne 2006, zitiert nach Schlolaut & Rödel 2011)

Hat die Häsin spätestens ab vier Wochen nach der Geburt die Möglichkeit, sich vor ihren Jungtieren zu entziehen, kann das Krankheitsrisiko sowohl für die Jungtiere als auch die Häsin reduziert werden (Übertragung von Erregern der Häsin auf die Jungtiere, Erkrankungen des Gesäuges; Schlolaut & Rödel 2011). 

Ab einem Alter von drei Wochen muss den Jungtieren ständiger Zugang zu Trinkwasser gewährt werden (Schlolaut & Rödel 2011).

Augen
Bei neugeborenen Jungtieren sind die Augenlider bis zum neunten oder zehnten Lebenstag geschlossen. Bei verspäteter Öffnung erhöht sich das Risiko für Infektionen der Bindehaut und der äußeren Hornhautschicht. Mögliche Ursache: Eindringen von Staub (inklusive Bakterien) in die noch geschlossene Lidspalte, Reizung des Augengewebes, Sekretion von Schleim und Tränenflüssigkeit, welche schließlich austrocknen und die Lider verkleben. Sind die Augen bis zum 14. Lebenstag noch nicht selbständig geöffnet worden, sollten mögliche Verklebungen vom Züchter vorsichtig gelöst werden.

Entzündung der Nabelöffnung/ Nabelbruch
(siehe van Praag 2020/11)

Milchdrüsenentzündung (Mastitis) der Häsin
(siehe van Praag 2021/1; OMIA:001744-9986

Geschlechtsreife

Bei weiblichen Jungtieren findet die Pubertät in einem Alter von ca. drei bis vier Monaten statt; bei männlichen Jungtieren wird die Pubertät mit ca. fünf bis sechs Monaten erreicht, wobei erste Spermien bereits nach etwa 110 Lebenstagen produziert werden (Betreff: Mastkaninchen; Fontanesi 2021b).
Achtung: Die individuelle Sexualentwicklung kann bedingt durch verschiedenste Einflussfaktoren abweichen.


Mögliche Ursachen von Unfruchtbarkeit bei männlichen Kaninchen 

  • Mangelernährung (Vitamine, Mineralstoffe) 
  • Bewegungsmangel/ Übergewicht
  • (überstandene) Myxomatose 
  • Infektion des Hodens oder der Nebenhoden durch Bakterien oder Pilze
  • (symptomlose) Syphilis
  • Blasensteine
  • angeborener Spaltpenis (Hypospadie): seitliche Öffnung der Harnröhre; betroffene Rammler können zwar über eine reduzierte Fruchtbarkeit verfügen - weil eine Unterscheidung zwischen sporadischem (umweltbedingtem) oder vererbtem Auftreten aber kaum möglich ist, sollten sie nicht zur Zucht eingesetzt werden
  • angeborene Krümmung des Penis (rezessiver Erbgang, daher ungeeignet zur Zucht
  • angeborener oder erworbener Hodenbruch
  • unterbleibender Hodenabstieg (Kryptorchismus); aufgrund der Erblichkeit sollten weder ein- noch beidseitig kryptorchide Rammler zur Zucht eingesetzt werden

 (aus: van Praag 2018/7 und 2018/10; Niehaus 1986).


Gruppenhaltung von Zuchthäsinnen

Häsinnen in einer Gruppe mit gefestigter Rangfolge sind in der Regel weniger stressanfällig als in Einzelhaltung. Allerdings kann eine Gruppenhaltung insbesondere für Zuchthäsinnen mit einer niedrigen Rangposition und der damit verbundenen vermehrten Ausschüttung von Stresshormonen eine verminderte Fruchtbarkeit, eine höhere intrauterine Sterblichkeit oder eine verringerte Milchproduktion bedingen (Buhl 2017)

(Siehe auch Erfahrungsbericht Schmitt 2022/5.)


Zuchthäsinnen in der Zuchtruhe

Werden gleichzeitig mehrere Häsinnen in eine bereits bestehende Gruppe integriert, so verteilen sich Rangordnungskämpfe, anstatt dass sie auf ein Tier konzentriert sind (aus: Erfahrungsbericht Werner 2018/5).  



Auch gut zu wissen:

  • "Bei Stress des Muttertieres kann es vermehrt zur Vernachlässigung des Wurfes bis hin zum Auffressen der Jungtiere kommen. Häsinnen in gut strukturierten Haltungssystemen sind weniger stressanfällig." (Hoy 2009, bzw. Hansen & Berthelsen 2000, zitiert nach Buhl 2017)
  • Eine Ammenaufzucht kann unter dem Beisein eigener Jungen eher gelingen als ohne dies (aus: Schmitt 2017/1).
     


"Wer die Kaninchenzucht aufnimmt, der beginne daher mit möglichst wenig Tieren und vergrößere seine Zucht in demselben Maße wie er praktische Erfahrung sammelt." (Albert Will 1931)
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