ZAHN-GESUNDHEIT
Die Zähne von Kaninchen wachsen lebenslang (elodent) - mal mehr, mal weniger schnell.
Für den ständigen Neuaufbau der
Zahnsubstanz leisten die folgenden Nahrungsbestandteile einen wesentlichen
Beitrag: Calcium (Ca), welches mit Phosphor (P) und Magnesium (Mg) in einem angemessenen Verhältnis steht, sowie Vitamine (D, C, K, B), (omega-3-)Fettsäuren, sekundäre Pflanzenstoffe
(Isoflavone, Carotinoide), Spurenelemente (K, Zn), Sexualhormone, u.a. (➭ vor allem in grünen, frischen Wiesenpflanzen enthalten).
Unter dem Einfluss arttypischer Nahrung (v.a. faserige Blätter) stellt sich ein Gleichgewicht zwischen Längenzunahme und Abnutzung der Zähne ein.
Je mehr mahlende Kaubewegungen ("Mümmeln") notwendig sind, umso höher der Zahnabrieb - Die Qualität der Rohfaser und der Wassergehalt der Nahrung spielen dabei eine wesentliche Rolle. Auch der Einfluss abrasiver
Nahrungsbestandteile - Silikate in Form von pflanzlicher Kieselsäure oder aus anhaftender, sandiger Erde - sorgt für einen Abrieb der Zähne. Kieselsäure dient den Pflanzen der Gewebestabilisierung und
kommt in größerer Menge z.B. in Gräsern, Schachtelhalm oder Labkraut vor.
Insbesondere während der Zeit der Umstellung von Jungtieren auf feste Nahrung ist deren Zahnapparat noch leicht verformbar. Eine naturnahe, abrasive Ernährung fördert seitliche Kaubewegungen, vermeidet axiale Belastung und unterstützt damit wiederum eine gesunde Entwicklung des Gebisses (aus: Böhmer & Böhmer 2017).
Bedarfswerte für Calcium und Phosphor
Übliche Gehalte in kommerziellen (pelletierten, getreidehaltigen) Futtermitteln:
Ca: 5-10 g/kg TS // P: 5-8 g/kg TS
TS: Trockensubstanz; aus diesen Werten resultierendes Ca/P Verhältnis: 0,6 bis 2,0.
Basierend auf ermittelten Gehältern von Ca und P in ungedüngter, kräuterreicher Wiese, bzw. einzelnen arttypischen Futtermitteln, lautet dagegen eine auf das Tierwohl fokussierte Empfehlung für das Ca/P Verhältnis in etwa:
- 1,5 <= Ca/P <= 6,0 * *: Blätter von Wiesenblumen und -kräutern liefern Quotienten im oberen Bereich, während Gräser eher im unteren Bereich liegen.
Dabei sollte der Mindestgehalt an Calcium 5 g/kg TS im Futter betragen (Richtwert: ca. 10 g/kg TS), und für eine gesunde Knochenentwicklung wäre ein Gehalt von 1 g/kg TS Phosphor ausreichend (de Blas & Wiseman 2010). Ein relativ niedriger Phosphor-Gehalt kann außerdem Verkalkungen in der Niere verhindern.
Folglich sollten calciumarme (<5 g/kg TS), bzw. phosphorreiche Futtermittel nur eingeschränkt verfüttert werden - das sind z.B. Getreide, Frucht-, Wurzel- und Knollengemüse, Salat oder auch intensiv gedüngte Wiese.
(Aus: Rühle "↗Calcium & Phosphor"; Rühle 2019 "↗Das Calcium-Geheimnis"; siehe auch Rühle 2017 "↗Getreide für Kaninchen - Fluch oder Segen?".)
Mögliche Ursachen für ein "retrogrades Zahnwachstum" (Eindringen von Zahnwurzelspitzen in den Kiefer)
- Genetische Defekte (und resultierende Malokklusion)
- Verletzungen
Beeinträchtigung des Erhalts einer gesunden Kiefer-/Zahnsubstanz durch:
- unzureichenden Zugang zu natürlichem Sonnenlicht
- einen Mangel an Nährstoffen in der Nahrung (Insbesondere bei einer Mangelernährung von Jungtieren können irreversible Schäden entstehen.)
- ein Säure-Base-Ungleichgewicht aufgrund eines hohen Anteils an einfachen Kohlenhydraten in der Nahrung (Obst, Gemüse)
- eine Kastration, wodurch der positive Einfluss der Sexualhormone auf den Knochenstoffwechsel nicht mehr gegeben ist
In diesem Zusammenhang kann eine übermäßig hohe und lange Belastung von Zähnen und Kiefer durch trockene Futtermittel als Hauptfutter (insbesondere Heu) die Problematik verstärken.
Zahn-Fehlstellungen bei normal entwickelten Kieferknochen sind in der Regel erworben.
(Aus: Rühle 2017.)
Mehr zu Zahnabszessen beim Kaninchen: siehe Hendricks 2023/11 in Kleine Heimtiere #4 - PDF ↗Download.
Kaninchen mit gesundem Gebiss mahlen ihre Zähne manchmal auch während Ruhephasen ("Zähneknirschen"). Dieses Verhalten trägt möglicherweise dazu bei, die physiologische Länge und Form der Zähne zu erhalten (aus: Böhmer & Böhmer 2017).
Durch eine regelmäßige Kontrolle durch den Halter (Abtasten von Kopf und Kiefer, visuelle Inspektion der Schneidezähne, Erfassen des Gewichts, Beobachten des (Fress-)Verhaltens) kann eine Malokklusion möglichst frühzeitig festgestellt werden. Verdächtigen Symptomen muss weitergehend nachgegangen werden (Tierarzt), um schnell fortschreitende, schmerzhafte Veränderungen zu vermeiden.
Ein Abknipsen der Zähne kann zu Zahnfrakturen und nachfolgend zu Abszessen führen!