ALTERNATIVE 
FUTTERMITTEL

Sogenannte Alleinfuttermittel sind für gesunde Kaninchen mit Zugang zu natürlichem Sonnenlicht bei einer weitgehend arttypischen Ernährung nicht zwingend notwendig. Sie decken zwar per Definition deren physiologischen Bedarf an Nahrungsstoffen, allerdings ergeben sich unter anderem die folgenden Nachteile. 

  • Die einsehbare Deklaration erfüllt mit der Angabe von Nährstoffgruppen ("Analytische Bestandteile") zwar gesetzliche Vorgaben, erlaubt jedoch keinen Rückschluss auf einzelne, teils essentielle Nährstoffe (z.B. teilweise verdauliche Faserkohlenhydrate, Vitamine, Aminosäuren). 
  • Es gibt keine gesetzliche Definition für "physiologisch".

  • Die zugesetzten (isolierten) Vitamine und Mineralstoffe ("Zusatzstoffe") können eine andere Wirkung auf den Organismus haben, als wenn sie im Verbund mit ihren natürlichen Begleitstoffen aufgenommen werden. Ihr Gehalt liegt möglicherweise weit über oder unter dem tatsächlichen individuellen Bedarf. Eine hohe Dosierung bestimmter Zusatzstoffe ohne bestehenden Mangel kann Entzündungsprozesse im Körper fördern.
  • "Alleinfuttermittel" sind aufgrund des geringen Wassergehalts und der fehlenden Wahlmöglichkeit keinesfalls als alleiniges Futtermittel geeignet (aus: Rühle 2018/6; Rühle 2021/78).
    Wegen des fehlenden Wassers ist u.a. die Aufnahme von Rohfaser über Trockenfutter limitiert: ein dem frischen Wiesengrün entsprechender Rohfasergehalt (in g/kg TS) kann nicht ohne Verdauungsstörungen aufgenommen werden.

     

Bei eingeschränkter Verfügbarkeit von vielfältigem, frischem Blattgrün, ständiger Innenhaltung, kranken oder alten Kaninchen können supplementierte Futtermittel dennoch eine sinnvolle Nahrungsergänzung darstellen. Auch kann ein pelletiertes, hochwertiges (Allein-)Futtermittel zu einer möglichst konstanten Nährstoffversorgung beitragen, denn die Nährstoffzusammensetzung von Wiesenfutter wird durch verschiedene umweltbedingte Faktoren (z.B. Standort, Saison) beeinflusst. Insbesondere bei Trächtigkeit oder Laktation während der kalten Jahreszeit - mit eingeschränkter Möglichkeit, frische, vielfältige Wiese zu füttern - können supplementierte Pellets einer Unterernährung und damit einhergehenden Erkrankungen von Häsin und deren Nachwuchs vorbeugen (aus: Schlolaut 2021/8).  

Eine Restriktion supplementierter Futtermittel kann ggf. sinnvoll sein, um eine "Raufutterverdrängung" aufgrund des arttypischen Ernährungsverhaltens (Konzentrat-Selektion) oder eine Überdosierung von Vitaminen zu verhindern.

Von Müslimischungen (oft als "Menü" bezeichnet) als Alleinfutter ist - sofern die Kaninchen auf die enthaltenen Vitamine und Mineralstoffe dringend angewiesen sind - eher abzuraten, denn gerade die selektive Fressweise von Kaninchen könnte damit gesundheitliche Probleme fördern, z.B. wenn nur die schmackhaftesten Komponenten gefressen werden und die mit Supplementen angereicherten Bestandteile im Napf liegen bleiben (Prebble & Meredith 2014). Oft enthalten solche Mischungen auch getrocknetes Gemüse - ein für Kaninchen nahezu wertloses Füllmaterial.


Zusatzstoffe

Die folgenden Angaben zu einigen ausgewählten Nahrungsstoffen (Aminosäuren, Vitamine) entsprechen in etwa dem Erhaltungsbedarf normalhaariger, adulter Kaninchen. Sie basieren im Wesentlichen auf der Analyse von Pflanzen aus dem natürlichen Nahrungsspektrum. Daher können sie als Hilfestellung für die Auswahl eines angemessenen Alleinfuttermittels dienen.

Allerdings gibt es unzählige Faktoren, welche die Aufnahme, die Speicherung oder den Verbrauch von Nahrungsstoffen bestimmen und so hat jedes Kaninchen einen individuellen Bedarf. Insbesondere der Bedarf von trächtigen, laktierenden oder wachsenden Kaninchen sowie von Kaninchen mit besonderen Fellstrukturen kann von den angegebenen Werten abweichen. Außerdem ist der Bedarf vom jeweiligen Gesundheitszustand, weiteren genetischen Faktoren, dem Alter sowie der Haltungsform abhängig. 
Die zeitweise Aufnahme von geringeren Mengen an Nahrungsstoffen erhöht bei gesunden Kaninchen nicht zwingend und unmittelbar das Risiko für Erkrankungen, denn viele Nährstoffe können eine Zeit lang vom Körper gespeichert werden. Kurzfristige Mängel hinterlassen keine bleibenden Schäden, wenn die Versorgung nach einer gewissen Zeit wieder angemessen ist. Dagegen kann ein starker, andauernder (manifester) Mangel irreversible Mangelsymptome verursachen.

Aminosäuren 

Methionin und Cystein: ≥ 5 g/kg TS (Lowe in De Blas & Wiseman 2010) (Tiere mit Langhaar haben einen erhöhten Bedarf.)

Aminosäuren werden nur zugesetzt und explizit deklariert, wenn der natürliche Gehalt einen bestimmten Mindestgehalt unterschreitet, bzw. im Fall von Futtersorten für besondere Zwecke (z.B. Angorakaninchen-Futter).

Vitamine

Vitamin A: keine eindeutige Empfehlung verfügbar, da Vitamin A in Grünpflanzen nicht enthalten ist

Bedeutung: Haut, Schleimhäute, Sehfunktion, Immunsystem, Fruchtbarkeit

In kommerziellen Futtermitteln sind ~10.000 IE/kg TS gängig (siehe auch Lowe in De Blase & Wiseman 2010). Eine ursprüngliche Empfehlung lautete dagegen z.B. ~2.500 IE/kg TS (bzw. 6.000 IE/kg für Kaninchen im Wachstum). Ein erhöhter Bedarf kann bei Erkrankungen vorhanden sein.
Wiesenpflanzen sind stattdessen reich an Vorstufen von Vitamin A (Carotinen; z.B. ß-Carotin), aus denen erst im Körper Vitamin A gebildet wird. Besonders junge Pflanzen enthalten viele Carotinoide, während deren Gehalt mit zunehmendem Alter oder durch Trocknung abnimmt. Bei einer überwiegenden Fütterung mit frischem Wiesengrün ist eine Unterversorgung mit Vitamin A nahezu ausgeschlossen, und selbst hohe Mengen an ß-Carotin sind unschädlich. Dagegen reichert sich ein Überschuss an Vitamin A im Körper an, und eine dauerhafte Überdosierung kann den Körper schädigen (z.B. Skelettschäden).

Vitamin C: ~2.500 mg/kg TS

Bedeutung: Immunsystem, Antioxidans

In kommerziellen Futtermitteln gelten teils deutlich geringere Mengen als oberes Limit für supplementiertes Vitamin C (Gidenne et al. in De Blas & Wiseman 2010).

Kaninchen können Vitamin C in der Leber aus Glukose selbst produzieren. Allerdings ist diese körpereigene Biosynthese vom Gesundheitszustand des Tieres abhängig und deshalb nicht immer bedarfsdeckend. Ein Defizit kann Harnwegserkrankungen begünstigen. Daher stellt Vitamin C eine wichtige Komponente in der Nahrung für Kaninchen dar. Ein Überschuss wird nicht im Körper gespeichert, sondern mit dem Urin ausgeschieden. Deshalb sollte Vitamin C regelmäßiger Nahrungsbestandteil sein.   

Vitamin D: ab 250 IE/kg bei Zugang zu natürlichem Sonnenlicht sowie adäquater Ca- und P- Zufuhr

Bedeutung: Knochen/ Skelett, Haare, Muskulatur

In kommerziellen Futtermitteln sind ~1.000-1.200 IE/kg TS gängig (siehe auch Lowe in De Blase & Wiseman 2010). Ein solcher Zusatz von Vitamin D kann bedeutend sein, wenn Kaninchen dauerhaft ohne Zugang zu natürlichem Sonnenlicht gehalten werden oder die Gehalte von Ca und P in der gesamten Nahrung niedrig sind, bzw. deren Verhältnis zueinander ungünstig ist. Allerdings kann auch eine Überdosierung von Vitamin D den Ca-Haushalt negativ beeinflussen und damit den Körper (v.a. Knochen, Blutgefäße oder Organe wie Niere, Lunge, Herz) schädigen.
Frisches Wiesenfutter - mit mindestens zeitweisem Zugang zu natürlichem Sonnenlicht - oder die Aufnahme von sonnengetrocknetem Heu decken in der Regel den Bedarf an Vitamin D gesunder Kaninchen (Mögliche Ausnahme: Rex-Kaninchen, d.h. Kaninchen mit kurzem Haar; Robinson 1958).

Vitamin E: ~50 mg/kg TS (Lowe in De Blas & Wiseman 2010) (abhängig von der Menge und der Zusammensetzung der verwendeten Fettquelle)

Bedeutung: Antioxidans, Bildung von Hormonen, Muskeln, Herz, Nervensystem, Immunsystem, Fruchtbarkeit

Dieser Gehalt erhöht sich bei Erkrankung auf ca. 200 mg/kg TS. Vitamin E kann im Körper gespeichert werden. 


Ergänzende Hinweise (lose Sammlung)

Ein kommerzielles Trockenfutter enthält in etwa noch 10% Restfeuchtigkeit und damit ca. 90% Trockensubstanz (TS).  

Viele Vitamine sind licht- und temperaturempfindlich, weshalb Futtermittel prinzipiell dunkel und kühl gelagert werden sollten. 

Im Vergleich zu unverarbeitetem Trockengrün kann das Pelletieren einen weiteren Verlust an ß-Carotin und Vitamin E während der Lagerung des Futters deutlich reduzieren, insbesondere unter Zusatz von Antioxidantien (Jeroch et al. 1993).

Sonstige Vitaminpräparate sollten nur bei einem nachgewiesenen Mangel, bzw. nur auf Rat eines Tierarztes verabreicht werden (z.B. zur Unterstützung eines besonders intensiven Fellhaarwechsels mit Schuppenbildung). 

Auch wenn das Thema Nachhaltigkeit eher weniger mit der eigentlichen Qualität von kommerziellen Futtermitteln zu tun hat, sollten Herkunft (Regionalität) und eingesetzte Verpackungsmaterialien eine Rolle bei deren Auswahl spielen.  

Kazimierska & Biel (2021) stellten bei einer Analyse von fünf verschiedenen kommerziellen Heimtier-Futtermitteln (4x Müsli, 1x Pellets) fest, dass teilweise weder die vom Hersteller angegebene Deklaration noch Minimalanforderungen laut geltender EU-Richtlinie eingehalten wurden (siehe dazu auch Adji et al. 2022).

Xie et al. (2024b) stellten bei chinesischen Hauskaninchen (darunter Rexkaninchen deutschen Ursprungs) im Vergleich zu Wildkaninchen (Oryctolagus c. cuniculus und Oryctolagus c. algirus) eine positive Selektion von Genen fest, die stärkeverdauende Enzyme codieren.



Nahrungsstoffe sollten wann immer möglich in ihrer natürlichen Form mit ihren natürlichen Begleitstoffen aufgenommen werden. Ist ein Alleinfuttermittel unverzichtbar, stärken zusätzlich angebotene, verschiedene frische oder getrocknete Pflanzen(teile) das Immunsystem und tragen wesentlich zur Gesunderhaltung bei.

Eine natürliche, ausgewogene Ernährung und eine angemessene körperliche Aktivität sind die beste Voraussetzung für ein gesundes Kaninchenleben.  

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