VERGESELLSCHAFTUNG

Alles kann, nichts muss ...


Kaninchen sind ausgesprochen gesellige Tiere und sollten nach Möglichkeit als Paar oder im Gruppenverband gehalten werden. Bei erwachsenen Kaninchen können große individuelle Unterschiede in der Verträglichkeit mit Artgenossen bestehen, weshalb Paare oder Gruppen vorzugsweise mit jungen Tieren gebildet werden. Unter geeigneten räumlichen Voraussetzungen und einer angemessenen Beobachtung kann eine bestehende Gruppenstruktur aber auch unter Beteiligung erwachsener Tiere erfolgreich verändert werden. 

Junge Kaninchen können unabhängig vom Geschlecht problemlos miteinander vergesellschaftet werden. Es spricht also prinzipiell nichts gegen eine Vergesellschaftung von gesunden Jungtieren aus verschiedenen Würfen. Eine gemeinsame Haltung von zwei oder mehr Häsinnen (auch Wurfgeschwister) empfiehlt sich allerdings nur bei dauerhaft großzügigem Platzangebot.

Mit dem Erwachsenwerden (ab einem Alter von etwa vier bis sechs Monaten) entwickeln Kaninchen ein ausgeprägtes Revierverhalten. Sollen zwei oder mehrere Kaninchen vergesellschaftet werden und ist dabei mindestens eines der beteiligten Tiere bereits erwachsen, dann muss dieses Verhalten berücksichtigt werden. Am ehesten gelingt in diesem Fall eine Vergesellschaftung von gegengeschlechtlichen Kaninchen (Heimtierhaltung: Rammler kastriert!). Das erste Zusammentreffen sollte wenn möglich auf neutralem Boden geschehen (Braconnier et al. 2020). Neutraler Boden kann z.B. durch das Aufstellen eines Geheges an einem für alle beteiligten Kaninchen bisher unbekannten Ort geschaffen werden. Nach Möglichkeit sollten die Kaninchen für mehrere Stunden oder gar Tage ununterbrochen dort bleiben können. Dieses Gehege sollte genügend Raum (z.B. ≥10qm), sowie Sichtblenden bieten, damit unterwürfige Tiere ausweichen können. Es sollten verschiedene Unterschlüpfe (mit zwei oder mehreren Ein- und Ausgängen) und Futterstellen angeboten werden. Sackgassen sind zu vermeiden.
Optional kann im Voraus eine Geruchsgewöhnung, z.B. durch Austausch benutzter Einstreu, durchgeführt werden. 

Nach dem Aufeinandertreffen sind teils aggressive Auseinandersetzungen zu erwarten, und es fliegt unter Umständen viel Fell. Bis sich die Kaninchen schließlich gegenseitig akzeptieren und friedlich verhalten, können mehrere Tage oder sogar Wochen vergehen. Solange die Tiere keine ernsthaften (blutigen) Verletzungen davon tragen, sollten sie möglichst nicht mehr voneinander getrennt werden. Ausnahme: Wenn das Vergesellschaftungs-Gehege als Nachtquartier ungeeignet ist und kein entsprechend geeigneter Stall zur Verfügung steht, kann es sinnvoll sein, die Tiere für einige Zeit nur tagsüber zusammen zu setzen und nachts zu trennen. Dieses Vorgehen kann allerdings dazu führen, dass die Zusammenführung insgesamt länger dauert.

Wenn das endgültige Revier (Stall, Voliere) dem oder den erwachsenen Kaninchen bereits vertraut ist, sollte eine gründliche Reinigung erfolgen, bevor die Kaninchen dort gemeinsam einziehen. Außerdem empfiehlt es sich, vorhandene Einrichtungsgegenstände umzustellen oder mit neuem Mobiliar zu erweitern. Dies können z.B. auch Pappkartons oder Tipis aus Zweigen sein.

Ist das eingesessene Tier ein Rammler, kann das Zusammenführen mit einer Häsin optional direkt im endgültigen (großzügigen) Revier erfolgen, da Rammler meist weniger revierbezogen sind und gerade Häsinnen in der Regel schnell akzeptieren.

Eine weitere Option bei insgesamt großzügigem Platzangebot: Tiere zunächst separiert voneinander in getrennten Haltungseinheiten eingewöhnen, dann die Trennwände entfernen ("Zusammenfassend konnte aber festgestellt werden, dass die allgemeine Stressantwort und der Grad der Verletzungen in einer für alle Tiere neuen Bucht höher ausfielen." (Graf 2010, zitiert nach Buhl 2017)).

Eine Vergesellschaftung von zwei Häsinnen oder zwei kastrierten Rammlern (mindestens einer davon erwachsen) ist nur dann sinnvoll, wenn ein großzügiges Gehege für die dauerhafte Unterbringung vorhanden ist.



Sonstige Hinweise
Werden erwachsene Tiere als Paar vergesellschaftet, sollten sie nach Möglichkeit ein ähnliches Alter haben. Bei größeren Gruppen kann eine heterogene Altersstruktur den Vorteil einer stabileren Rangfolge mit sich bringen (Rödel et al. 2008, zitiert nach Buhl 2017).

Das äußerliche Erscheinungsbild normal sozialisierter Kaninchen, z.B. die Körpergröße oder die Anatomie der Ohren (Stehohr vs. Widder), hat für eine Vergesellschaftung keine wesentliche Bedeutung. 

Anmerkung zur Gruppengröße

Das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) Schweiz schlägt in seiner "Fachinformation Tierschutz" zur Gruppenhaltung von Kaninchen eine Gruppengröße von bis zu sechs Tieren vor, wenn Zuchttiere Teil der Gruppe sind. Wird mit den beteiligten Kaninchen nicht gezüchtet, können auch größere Gruppen erfolgreich sein (https://www.blv.admin.ch/; Fachinformation "Gruppenhaltung von Kaninchen" 06/2016).

In diesem Zusammenhang sei erwähnt, dass auch große Wildkaninchen-Kolonien von mehreren 100 Tieren stabile Untergruppen von jeweils bis zu zehn Individuen bilden (Rogel-Gaillard et al. 2009; Marsh et al. 2011; Hoy 2009, zitiert nach Buhl 2017).
Für das Sozialverhalten innerhalb einer Gruppe spielen umweltbedingte Faktoren als auch die individuellen Charaktere eine Rolle. Deshalb sind allgemeine Empfehlungen zur optimalen Besatzdichte einer Haltungseinheit nicht möglich.
 

Andauernder Stress ist ein das Wohlbefinden extrem beeinflussender Faktor, weshalb Haustiere davor geschützt werden müssen. Jeder Halter ist dazu verpflichtet, das Verhalten seiner Tiere regelmäßig zu beobachten, um im Bedarfsfall rechtzeitig handeln zu können.

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